Brasserien in Paris
 
 
 
Südfrankreich
Burgund
Tal der Loire
Alpen
Wandern
Bücher Fotos
Hotel
Ferienhaus
Mietwagen
Flüge
Pauschalreisen
Reisepartner
 
 
 

 

Pariser Brasserien - Lipp

 

 

 

 

 

Lipp in Paris

 

10. Mai 1871 beendet der Frankfurter Vertrag den Krieg mit Deutschland: Elsass und ein Drittel von Lothringen werden von Deutschland annektiert.

Leonard Lipp begibt sich, genau wie viele andere, die ihre verloren gegangene Heimat verlassen haben, nach Paris. 1880 eröffnet er hier mit seiner Frau Elise am Boulevard Saint-Germain Nr. 151 das schlichte Lokal La Brasserie des Bords du Rhjn, in dem Sauerkraut, Brezeln und Bier zum Mitnehmen angeboten werden.

Die Brasserie wechselt des öfteren den Besitzer. Am 1. Mai 1914 wird sie von Monsieur Hebrard erworben. Der Pachtvertrag enthält sehr strenge und ungewöhnliche Bedingungen: »Es wird vereinbart, und die Pächter erklären sich damit einverstanden, dass sie und ihre Nachfolger ausschließlich männliche Bedienung im Lokal beschäftigen.

Bei Nichteinhaltung dieser Klausel behält sich Madame Moureau Schadensersatz vor.« Bestand sie auf dieser Klausel aus Angst, die Zeiten der »Frauen Brasserien« könnten wieder zurückkehren? Madame Moureau ist wachsam.

Als ihr hinterbracht wird, dass eine Frau in der Brasserie arbeite, schaltet sie einen Amtsdiener ein. Dessen Protokoll erwähnt, dass tatsächlich eine Frau in der Brasserie tätig ist, sie ist allerdings nur für die Vorspeisen zuständig und betritt nie das Lokal.

Monsieur Hebrard lässt die Brasserie renovieren. Die Fassade mit Holzverkleidung auf zwei Ebenen wird beibehalten. Der Keramiker Leon Fargue - Vater des späteren Dichters Leon-Paul Fargue, der eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung des Lokals spielt - entwirft die acht Fayencen, auf denen exotische Pflanzen dargestellt sind, sowie den Fries, die den ersten Saal verschönern.

Das Lokal floriert, die Besucher sind ruhige, gut situierte Stammgäste. 1920 übernimmt Marcelin Cazes die Brasserie. Er wuchs als Sohn armer Eltern im Aveyron auf, die ihm stets den Satz einprägten: »Halte dich in Ermangelung von Wissen an die Arbeitsmoral und an die Würde.«

Marcelin Cazes hat nur eine Sorge: Das Niveau der Brasserie zu erhalten. Er achtet bei seinem Personal auf strenge Disziplin und erteilt genaue Anweisungen: Es sollen so viele Gäste wie möglich ins Lokal gelassen werden, jedoch nur »akzeptable« Gäste.

Sie sollen möglichst kurze Zeit verweilen, aber soviel Geld wie möglich ausgeben; zudem soll sowenig Personal wie möglich beschäftigt werden.

Er wünscht sich ein erlesenes Publikum und erlaubt niemandem, die Ruhe, die er als wesentliches Element in seinem Lokal betrachtet, zu stören.

Im Jahr 1925 wird unter Leitung des Architekten Leon Madeline ein zweiter Raum angebaut. Die Keramikplatten von Fargue werden als Mosaiken kopiert, Charley Garry bemalt die Decke der bei den Säle mit afrikanischen Szenen.

Das Dekor wird etwas aufgefrischt: Die Fayencekacheln werden neu verlegt, und es werden leicht abgeschrägte Spiegel angebracht, um »zu sehen und gesehen zu werden«.

Lipp entwickelt sich zum Lieblingslokal der bedeutendsten Politiker, Literaten und Künstler von Paris. Es ist unmöglich, all jene aufzuzählen, die in der Vergangenheit und in der Gegenwart dem Lipp zum Ruhm verholfen haben.

Im Jahr 1934 ruft Marcelin Cazes, der selbst mit zwölf Jahren von der Schule abgegangen war, den Literaturpreis Cazes ins Leben, der Autoren zukommen soll, die noch nie einen Preis gewonnen haben.

Der Vorsitzende der Jury ist Andre Salmon. 1966 übernimmt Roger Cazes das Lokal von seinem Vater. Er ist allgegenwärtig, sehr autoritär, hat aber ein weiches Herz und kümmert sich persönlich um die Plazierung seiner Gäste, deren Namen er sich auf einen kleinen gelben Zettel notiert - »man hat immer den Eindruck, dass Roger Cazes einen um die Papiere bitten wird« (Gault und Millau).

Nach eigenen Kriterien sucht er die Plätze für sie aus, die er ihnen diplomatisch, aber bestimmt zuweist: Die Christdemokraten nehmen im ersten Stock Platz, die Radikalen setzt er in den hinteren Raum und die Sozialisten ziemlich nah an den Eingang.

Gegenüber der Kasse hält er eine Tischreihe für die Kontakte zwischen den Boten der verschiedenen Gruppen frei: »Bei Lipp werden Regierungen gebildet und im La Coupoie wieder aufgelöst«, munkelt man.

Berthe, die Garderobenfrau, die dem Lokal seit 30 Jahren die Treue hält, kennt alle Stammkunden und ihre Schrullen. Wie zum Beispiel Monsignore Veuillot, der sie eines Tages bittet, Seine Heiligkeit im Vatikan anzurufen, was sie auch prompt tut.

Der Papst persönlich ist am Apparat, und sie reicht ihn weiter. Da sich diese Bitte ziemlich regelmäßig wiederholt, fragt sie den Monsignore, weshalb er den Papst eigentlich immer von der Brasserie aus anrufe. »Hier bin ich ungestört, und niemand hört mit«, erklärt er ihr.

Gegen eine Entscheidung von Roger Cazes kommt niemand an. 1966 äußert der damalige Fremdenverkehrsminister, das Gedeck sei zu teuer. Wütend wirft ihn Roger Cazes aus dem Lokal und weigert sich trotz der Vermittlung von Freunden sieben Wochen lang, ihn einzulassen.

Im Lipp gibt es ungeschriebene Gesetze: »Die Wartezeit im Lipp hat dieselbe Bedeutung wie der Schaum beim Bier«; die Wertschätzung, die man dem Kunden angedeihen lässt, hat nichts mit der Höhe seiner Rechnung zu tun, sie bezieht sich auf die Persönlichkeit.

Ein armer, aber treuer Gast wird stets herzlicher aufgenommen als ein Milliardär. Romain Gary hatte jahrelang seinen Stammtisch, obwohl er lediglich eine Gemüsesuppe zu sich nahm.

Coca-Cola gibt es im Lipp nicht, denn für Roger Cazes stellt das Getränk ein Übel der Drugstores dar, die er verabscheut. Ein paar Schilder machen den Gast darauf aufmerksam, dass es nicht schicklich ist, Pfeife zu rauchen, und dass Hunde nicht auf die Sitzbänke gehören.

Immer wieder wird die Brasserie Lipp mit der französischen Politik konfrontiert: Als 1959 ein Attentat stattfindet, kommt F. Mitterrand gerade aus der Brasserie. General de Gaulle, der aufgebracht ist über Gerüchte, die besagen, zwischen Georges Pompidou und Valery Giscard d'Estaing gebe es Unstimmigkeiten, befiehlt den beiden Ministern, in der Brasserie Lipp zu erscheinen.

Von diesem Treffen erscheint ein »Versöhnungsfoto« in der Zeitung.

Ben Barka eilt gerade zu einer Verabredung ins Lipp, als er im Oktober 1965 direkt vor der Brasserie vom marokkanischen Geheimdienst entführt wird.

Roger Cazes, der am 2. April 1974 noch vor der Nachrichtenagentur von der Schweizer Botschaft über den Tod von Präsident Pompidou informiert wird, teilt dies Mitterrand mit, der dort gerade diniert.

 

Brasserie Lipp
151 bd St-Germain, 6. Arrondissement
Tel. 01.45.48.53.91

Metro: St-Germain-des-Prés.
Geöffnet von 12.15 -1 h täglich